Interview mit Robin D. Laws Robin D. Laws wurde am 14. Oktober 1964 in Orillia, Kanada, als Robin Dale Lawson geboren. André Jarosch: Was war das erste Rollenspiel, dass du gespielt oder geleitet hast und wann und wie bist du überhaupt zum Rollenspielen gekommen? Robin D. Laws: Ende der 70er, als Teenager, habe ich anÂgeÂfangen, Dungeons & Dragons zu leiten. AJ: Hat es eine Rollenspielerfahrung gegeben, eine besonders positive oder negative, die dich bis heute beeinflusst? RDL: Ich kann mich erinnern, wie ich ein ganz bestimmtes Call of Cthulhu-Abenteuer las und nachher auch leitete. An die Einzelheiten kann ich mich nicht mehr so genau erinnern,
aber es spielte wohl in Mexiko, und der Schurke war ein unÂsterbÂlicher oder untoter Zauberer; dann gab es auch irgendÂÂwie BeÂzüge zu der Poe-Geschichte "Das Faß
Amontillado", soweit ich mich noch erinnern kann. AJ: Ich habe gehört, dass du vor langer Zeit mal bei Pagan Publishing an einem Cthulhu-Projekt mitgearbeitet hast und dies neuerÂdings auch an der Cthulhu-Reihe von Chaosium tust. Kannst du uns erzählen, was du da für Cthulhu gemacht hast? RDL: Eins der ersten Projekte, das mir aufgetragen wurde, war ein Abenteuer für die "End Times"-Anthologie von Pagan. Die Abenteuer stellten den allmählichen Untergang der
Welt dar, nachdem die Großen Alten zu Beginn des 21. Jahrhunderts zuÂrückÂgekehrt sind. In meinem Abenteuer ging es darum, aus einem Bürogebäude zu fliehen, nachdem R'lyeh
wieder aus den Fluten emporgestiegen ist, und sämtliche Arbeitskollegen unter den psychischen Nachbeben zu vollkommen durchgeknallten geÂmeinÂgefährlichen Irren geworden sind. Projekte bei Pagan können eine ganz erstaunliche Reifezeit entwickeln,
und von daher halte ich es durchaus für möglich, dass John das mal noch rausÂbringen wird, wenn die Sterne eines Tages günstig stehen. AJ: Wie bist du dazu gekommen, hauptberuflich Rollenspiele zu schreiben? Hat dich ein besonderes Ereignis in deinem Leben zu diesem Entschluss bewogen? RDL: Ich bin ganz zufällig dazu gekommen. Ich habe mich immer als Autor gesehen, aber das Spielen nahm ich nur als Hobby wahr, nie als Markt für meine Arbeit. Ich hatte mit einer Amateur-Veröffentlichung des Namens "Alarums & ExÂcurÂsions" zu tun, wo ich anfing, mit Jonathan Tweet zu korresponÂdieren, der damals grade als Co-Designer bei Ars Magica einÂstieg. Später kam es dann so weit, dass ich ihm Einfälle für ein cooles Spiel schickte, das nicht veröffentlicht werden konnte und das er mit seinen Freunden spielte. Am Ende wurde dieses Material fast wörtlich abgedruckt, als das nicht zu verÂöffentlichende Spiel unter dem Namen Over the Edge herausÂkam. Ungefähr zur selben Zeit schickte mir Steve Jackson von Steve Jackson Games so ganz aus heiterem Himmel die AutorenÂrichtlinien und fragte, ob ich nicht einen Vorschlag für ein GURPS-Buch einreichen wollte auf der Grundlage des abÂsonderÂliÂchen Tribal-Fantasy-Spiels, das ich in "Alarums & Excursions" beÂschrieb. Nachdem diese Bücher herausgekommen waren, bekamen einige Entwickler in der Spielindustrie Wind von meiner Arbeit, und plötzlich hatte ich genug Aufträge, um von der freiÂberuflichen Arbeit leben zu können. Was ich seither auch tue. AJ: Liegt dir eines der Spiele, die du geschrieben hast, mehr am Herzen als die anderen, eines, dass du als "dein" Spiel betrachtest? RDL: Das Spiel, das mir wohl immer noch am meisten Lob und Aufmerksamkeit bringt, ist AJ: Hast du jemals ein Spiel oder Hintergrundmaterial geÂschrieben, was dann nicht veröffentlicht wurde, weil es "zu schlecht" war oder "zu abgedreht" oder weil du es von vorneÂherein nur zu deinem eigenen Vergnügen geschrieben hattest? RDL: Meine Projekte sind bisher immer nur aus geschäftÂliÂchen Gründen zurückgepfiffen worden, die überhaupt nichts mit dem kreativen Aspekt zu tun hatten. Zum Beispiel gab es erÂgänzend zu
Talislanta ein Rollenspiel, das Wizards of the Coast strichen, als sie ihre ursprüngliche Rollenspiel-AbÂteiÂlung zumachten, oder ein Sammelkartenspiel für Mayfair, das auf dem Underground
-Rollenspiel basierte und aber den ersten Kartenspiel-Crash nicht überlebte. AJ: Wann ist ein Spiel oder ein Supplement in deinen Augen etwas besonderes? Was muss an einer Spielpublikation dran sein, damit sie gut ist und was darf nicht vorkommen? RDL: Es muss lesbar sein, es muss die Spielerfahrung als UnterÂhaltung betrachten. Es sollte nicht zu viel komplizierte Hintergrundgeschichte enthalten, die dann im Verlauf einer SpielÂrunde nie zum Einsatz kommt, und es sollte nicht von jeÂmandem geschrieben worden sein, der selber schon seit Jahren nicht mehr gespielt hat und deswegen keinen so engen Draht mehr zu den ganzen subtilen Erfordernissen dieses Formats hat. AJ: Ich habe "The Rough and the Smooth" gelesen. Wie bist du auf den Einfall gekommen, einen Roman über intelligente NacktÂmulle zu schreiben? Ist das nicht zu abgedreht, selbst für die Spielindustrie? (Dass es kein "Spiel-Buch" ist, ist mir bekannt.) RDL: Ich hatte eine Sendung über Nacktmulle gesehen und fand sie absolut faszinierend. Ich war der Ansicht, dass so eine auf breiter Basis gesellige Tierart (sie tun sich ebenso
zusammen wie Ameisen oder Termiten, es gibt eine Königin, Arbeiter, SolÂdaten) doch gut für eine politische Satire geeignet wäre. AJ: Gibt es an deinen Büchern was typisch "Laws-mäßiges", abgesehen von dem Namen auf dem Cover? RDL: Das wäre wohl die Konzentration auf den UnterÂhalÂtungs-Aspekt der ganzen Erfahrung, wobei ich besonderes AugenÂmerk auf die Empfindungen richte, die Spieler beim Spielen erleben wollen. Wenn ich ein Spiel für ein bestimmtes Genre schreibe, dann möchte ich dieses Genre so stark wie nur mögÂlich evozieren. Ich bin nicht der Ansicht, dass eine bestimmte Art des Spielens allen anderen überlegen wäre, und ich bin gern bereit, mit unterschiedlichen Projekten unterschiedliche Arten von Spielern zu bedienen. AJ: Wie bist du zu Glorantha/HeroWars gekommen und wirst du auch in Zukunft etwas dafür schreiben? RDL: Rob Heinsoo, der bei Chaosium kurz vor dem großen Zusammenbruch für Glorantha zuständig war, ist ein alter Kumpel von mir. Er war der Ansicht, dass ich derjenige sein
könnte, der ein neues Glorantha-Rollenspiel schreiben kann, und so flog ich auf Firmenkosten zum Glorantha-Con nach Chicago, um Greg zu treffen. Greg hatte zwar
Grippe und kam nicht, aber durch ZuÂfall kam ich mit David Dunham ins Gespräch, was damit endete, dass ich mich zur Mitarbeit an dem "King of Dragon Pass"-Computerspiel
bereit erklärte. Das dauerte so etwa ein Jahr und war eine sagenhafte Erfahrung. Und aufgrund von dem, was er bei diesem Projekt von meiner Arbeit mitbekam, sah Greg dann
schon, dass ich Glorantha verstand. Der Ansatz, den ich nehmen wollte, geÂfiel ihm auch, und der Rest ist Geschichte. AJ: Hast du denn die Geschichten, die nach "Promise of Thunder" kommen, schon im Kopf (oder im Karteikasten)? Lässt du sie dir einfallen, wenn es so weit ist? Oder entÂscheidest du das dann zusammen mit Greg? RDL: Wir haben uns bloß mal ein paar mögliche AusgangsÂpunkte überlegt. Greg meint, dass Tarkalor als nächstes nach Teschnos gehen sollte. Ich würde ganz gerne eine Geschichte schreiben, die in Pavis zur Zeit des Drachenmolchtraums spielt, was nun zufälligerweise ein paar Jahre nach den ErÂeignissen in "Promise of Thunder" stattfindet. Was wir tatsächlich machen, entscheiden wir, wenn es soweit ist; dann schreibe ich einen Entwurf, den Greg absegnen muss. So war das auch schon beim ersten Buch. AJ: Kannst du mir was über das Spieltesten erzählen? Wie gehst du das an? Leitest du alle Runden selbst, hast du dafür irgendÂwo "deine Leute" oder wird das bei den Verlagen "im Haus" erledigt? Hero Wars soll auch mit einem nicht-glorantha Hintergrund getestet worden, heißt es. RDL: Ein Designer muss das Spiel einerseits selber leiten, andererseits braucht er auch Feedback von außenstehenden SpielÂgruppen. Es ist wahnsinnig schwierig, von einer
ausÂreichend großen Zahl von Spielgruppen brauchbare Kommentare zu kriegen, die auf echtem Spiel basieren. Die meisten Leute wollen einfach bloß das Manuskript durchlesen
und einem dann sagen, ob es ihrem Geschmack entspricht oder nicht. Was man als Designer tatsächlich braucht, sind keine Ratschläge, wo der Schwerpunkt des Spiels
liegen sollte (wenn es ans Spieltesten geht, ist das längst schon beschlossene Sache), sondern ausführliche Informationen über die einzelnen Regeln und was sie in der Praxis für
Schwierigkeiten machen. Es ist ziemlich schwierig, ein Spiel ins Spieltesten zu schicken, das nur als ein paar Computerdateien existiert, ohne InÂdex oder Bilder, die einem bei der
Orientierung in den Regeln helfen. Dann muss man ständig mit den Korrekturen und ErÂgänzunÂgen Schritt halten. Und es ist sowieso schon schwer genug, überÂhaupt eine
Gruppe für irgendein Spiel zusammenzubekommen, um wieviel schwieriger erst, wenn es um ein unveröffentlichtes ProÂjekt geht, dass ausdrücklich beim Spielen demontiert werden
soll. Und zudem ist es ja auch möglich, dass das Spiel auch ganz von vornherein überhaupt nicht den vorhandenen Neigungen entÂspricht. Da ist es schon verständlich,
dass gute Spieltester rar sind. Als ich übrigens das eigentliche Design von Hero Wars machte, hatte ich das Glück, grade eine ganz außerordentlich engagierte Gruppe von Testern zu haben. AJ: Arbeitest du lieber auf eigene Faust, ohne auf irgendÂwelche Film-, Comic- oder Romanvorlagen zurückgreifen zu müssen (Pantheon, Feng Shui, Over the Edge), oder ist es dir lieber, solche Einschränkungen zu bekommen (Rune,Dying Earth, HeroÂWars, Star Trek, etc.), denen du dann deine eigene Note verÂleihen kannst? RDL: Ich mag verschiedene Projekte nebeneinander. So wie ich arbeite, wäre ich ziemlich schnell ausgebrannt, wenn ich immer nur eine Sache machen würde. Wenn ich aber die Wahl hätte, würde ich lieber an etwas arbeiten, wo ich gleicherÂmaßen das Spiel beackern kann wie auch den Untergrund, auf dem es aufbaut (und das geistige Eigentum daran behalte, wie es jetzt bei Feng Shui der Fall ist). Allerdings hat es mir auch sehr gefallen, an Projekten zu bereits existierendem Material zu arbeiten, an dem mir wirklich etwas liegt - Glorantha ist mein Lieblings-Setting, und Dying Earth gehört zu meinen Fantasy-Lieblingserzählungen, in dieser Hinsicht hatte ich also echtes Glück. AJ: Wenn du schreiben könntest, was du willst, was wäre das für ein Spiel oder Buch? RDL: In meiner Freizeit habe ich an einem Buch mit dem Titel "Payne County" gearbeitet, das rein literarisch ausÂgeÂrichtet ist. Erst vor kurzem habe ich es zu Ende gebracht, und
jetzt stehe ich vor der selbstwertzerschmetternden Aufgabe, es an Verlage zu schicken, die nicht bloß keinen blassen Schimmer davon haben, wer ich denn eigentlich bin, sondern
auch jede VerÂbindung in die Spielszene oder zur Popkultur für ganz abÂscheuliche Charakterfehler halten. AJ: Kannst du mir ganz kurz zusammengefasst beschreiben, wie das so ist, freiberuflich im Rollenspiel-Business zu arbeiten und könnÂtest du das auch anderen talentierten Autoren empfehlen? RDL: Es ist superschwierig, sich sein Brot als freiÂberufÂliÂcher Spieledesigner zu verdienen, und es hat schon immer zu jedem beliebigen Zeitpunkt nur eine Handvoll Leute wie mich gegeben, die es schafften. Um das auf lange Sicht hinÂzukriegen, muss man professionell sein, ausdauernd, und talenÂtiert - und zwar in dieser Reihenfolge. Ich möchte es eigentÂlich nicht empfehlen, weil es wirklich schwer ist, aber ich mag auch niemandem davon abraten - ich versuche es ja immerhin selber auch. Mein Hauptratschlag wäre, sich unter allen UmÂständen nach Verbindungen in diesem Business umzuschauen. In diesem Sektor sind die Leute sehr freundlich und offen, was nicht oft vorkommt, und das sollten sich aufstrebende Freiberufler zunutze machen. Also sollte man zum Beispiel auf jeden Fall zum GenCon fahren. AJ: Hältst du eigentlich D&D 3rd Edition, D20 und die Open Gaming License für eine gute oder eine schlechte Entwicklung im Rollenspielbereich? RDL: Man kann eigentlich noch nicht so richtig sagen, wo das alles hingeht. Frag mich das in fünf Jahren noch einmal. AJ: Du schreibst regelmäßig für das Magazin "Dragon". Die meisten Sachen, die du geschrieben hast, sind für unabhängige RollenÂspiele und Verlage. Verlangen die da von dir, dass du D20 -Sachen schreibst, oder hast du die Freiheit, zu schreiben, was du willst? RDL: Der "Dragon" ist eine reine Dungeons & Dragons-ZeitÂschrift - da kommt D20 schon per se gar nicht vor. Alles, was irgendwer für den "Dragon" schreibt, muss also mit
D&D zu tun haben - was ich gerne mache. Es passiert auch nur selten, dass ich beim "Dragon" mit einer Idee für einen Artikel ankomme; normalerweise geht das immer auf
Ideen von Jesse Decker (dem derzeitigen Herausgeber) oder Dave Gross (seinem Vorgänger) zurück. AJ: Letzte Frage: woran arbeitest du gerade? An einem neuen Spiel, Ergänzungsband oder Roman? RDL: Die Sache, an der ich grade arbeite und mit der ich jetzt gerne renommieren wollen würde, ist leider noch nicht anÂgekündigt. Behalte in den nächsten Monaten die Meldungen
im InterÂnet im Auge, was meinen neuesten tollen Auftritt außerÂhalb der Spieleindustrie angeht. AJ: Vielen Dank für das nette Gespräch und die ausführlichen Antworten. RDL: Sehe dich dann 2003 in Toronto. Take Care.
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