CTHULHU-MYTHOS: FRAGEN UND ANTWORTEN

von Sandy Petersen 
Ãœbersetzung von
Robert Maier

Hier sind einige Fragen und die dazugehörigen Antworten, die ich mit anderen Fans des Cthulhu-Mythos ausgetauscht habe. Ich denke, sie könnten erhellend oder hilfreich oder unterhaltsam sein.

Frage - Was mich irritiert, und was wohl auch der Grund ist, weswegen ich schon seit einigen Jahren kein Call of Cthulhu mehr gespielt habe... was soll's eigentlich? Also eigentlich ist die Frage, was kümmern sich die Cthulhu-Monster überhaupt um die Menschheit? Sie könnten doch ebenso gut auch die ganze Menschheit fressen oder versklaven oder in blubbernde Schleimpfützen verwandeln und die Erde als Trümmerfeld hinterlassen und sich von dannen machen, oder nicht?

Antwort - Ich glaube, der Ansatz der Geschichten war ursprünglich nicht der, daß die Monster sonderlich an den Menschen interessiert gewesen wären. Er war mehr so, daß, wenn WIR - die Menschen - unsere kleine Ecke des Universums verlassen und ins Unbekannte vorstoßen, daß wir dann auf unvorstellbares Grauen stoßen, das unsere Seelen zerfetzt. Wir könnten sogar etwas davon mit zurückbringen.

Stell dir als Vergleich vor, daß ein paar Ameisen in deine Küche geraten und ein Schinkensandwich finden. Du entdeckst die Ameisen und regst dich auf, und statt einfach bloß die Ameisen auf der Anrichte mit superstarkem Gift plattzumachen, folgst du ihrer Spur nach draußen und kippst kochenden Essig über den ganzen Ameisenhaufen. Was aus der Perspektive der Ameisen passiert ist, war, daß einige von ihnen zu weit ins Unbekannte vorgedrungen sind, und infolgedessen sind aber nicht nur diese Kundschafter unter Qualen gestorben, sondern es kamen unvorstellbarer Schrecken, Tod und Vernichtung über das ganze Ameisenvolk.

Jetzt stell dir vor, daß die Ameisen für die Menschen stehen, und der Besitzer der Küche ist die Monster des Cthulhu-Mythos, und schon hast du eine Vorstellung davon, was ich meine. Cthulhu würde natürlich nicht sowas banales wie kochenden Essig verwenden, aber das Endergebnis ist auch nicht weniger unangenehm.

Frage - Hab ich da irgendwie was verpaßt? Wenn ich versuche, "kosmisches Grauen" in ein Cthulhu-Szenario reinzubringen, dann kann ich mir keine Vorstellung von der Motivation des Monsters machen. Vielleicht denke ich einfach nur wie ein Mensch, keine Ahnung...

Antwort - Wenn wir die Analogie mit den Ameisen noch ein bißchen weiter heranziehen wollen, dann stell dir vor, daß die Ameise, statt sich in deine Küche zu verlaufen, eine nette kleine Made gefunden hat, die Zuckerwasser absondert. Die Ameise schleppt die Made nach Hause, und alle freuen sich über das Zuckerwasser. Aber nachts, wenn sie nicht hinschauen, dann frißt die Made die Kinder der Ameisen.

Sowas gibt's übrigens wirklich, als einen echten Bestandteil der Ameisen-Ökologie! Tatsächlich ist die eingehende Beschäftigung mit Kopffüßern und anderen Wirbellosen eine unendlich hilfreiche, nie versiegende Inspirationsquelle für cthulhumäßige Schrecken. Aber zurück zur Geschichte.

Eines Tages verpuppt sich die Made, und heraus kommt ein abscheuliches Etwas. Was das genau ist, kommt darauf an, was es für eine Made war (es gibt verschiedene Sorten davon). Das ausgewachsene Tier ist vielleicht eine haarige Motte, die das Nest verläßt und hingeht und andere Ameisenstaaten infiziert. Vielleicht ist es auch ein gepanzerter Alptraum, dem die Waffen der Ameisen nichts anhaben können und der außer den Kindern nun auch die Erwachsenen frißt. Man kann sich ziemlich gut vorstellen, wie sich diese Schrecken in einer Cthulhu-Kampagne interessant umsetzen lassen. Ich bin zwar der Ansicht, die "Made" sollte ihren menschlichen "Besitzern" was anderes geben als Zuckerwasser, aber sonst ist das ziemlich perfekt für ein Szenario.

Wie du feststellen kannst, ist die Motivation der Made natürlich eine ganz andere als die des menschlichen Küchenbesitzers. In der Küchen-Geschichte trieben die Ameisen den Besitzer der Küche, dem das sonst ja egal gewesen wäre, unbeabsichtigt zu einem entsetzlichen Racheakt. In der Maden-Geschichte wollte sich die Made in die Ameisen-Gesellschaft einschleusen, um sie für ihre eigenen Zwecke auszubeuten.

Worum es mir geht, ist, daß die Bösen ganz unterschiedliche Ziele haben, je nachdem, um wen es sich handelt. Das Universum ist riesengroß, und wir sind nur ein winziger Teil davon. Wenn wir mit anderen Teilen in Kontakt kommen, sollten wir nicht erwarten, daß einer davon dieselben Motive hat wie ein anderer.

Es gibt keine echte Verbindung zwischen Cthulhu, den Uralten, Yog-Sothoth, der Großen Rasse, und den Schwämmen von Yuggoth. Sie bewohnen nur dasselbe Universum. Sicherlich wissen sie voneinander, aber sie bilden miteinander keine "Verschwörung" - sie sind einfach nur verschiedene Aspekte des Anderen.

Der Grundgedanke des Cthulhu-Mythos ist der, daß Menschen, sobald sie sich mit dem Anderen befassen, einem Grauen ausgesetzt sind, das sie in den Wahnsinn treibt. Manchmal natürlich fällt auch das Andere die Menschen einfach so an, aus Spaß an der Freud.

Ein Mensch, der einen Blumengarten anlegen will und deshalb das ganze Erdreich rings um sein Haus umgräbt, zerstört bdabei womöglich jede Menge Ameisennester. Er selbst wird es noch nicht einmal bemerken. Aber was halten die Ameisen von der Katastrophe, die über sie gekommen ist?

Jetzt überleg dir noch, daß Ameisen den Menschen um VIELES näher stehen als wir den Großen Alten, und dann wünsche ich viel Spaß!