Arcana Cthulhiana
Rezension von Karsten Sassenberg

Zur „Essen spielt 2006“ ist das mit Spannung erwartete Quellenbuch „Arcana Cthuliana“ erschienen. Das Cover wirkt wie ein kostbares, verziertes Buch eines Gelehrten des Okkulten. Eine bekannte Illustration aus dem alten Regelwerk ist als bleiche Silhouette in der rechten unteren Ecke zu sehen. Dieser Band steht in der Tradition der Bände „Malleus Monstrorum“ und „Necronomicon - Geheimnisse des Mythos“. Gerade Magie ist ja bei Cthulhu so eine Sache. Da gibt es in dem Spielleiterbuch so an die 200 Zaubersprüche, und in vielen Szenarien haben die Spieler die Möglichkeit, diese zu erlernen, oder sie sind als Bannsprüche sogar unmittelbar zur Lösung notwendig. Aber viele Spielleiter werden bestimmt das Problem kennen, dass Magie sich gar nicht so leicht stimmungsvoll im Spiel darstellen lässt, ja manchmal sogar droht, lächerlich zu wirken. Und dies, obwohl ja auch in den Geschichten von Lovecraft, Derleth und Co. oft Magie vorkommt. Wie man bei der Darstellung von Magie hier Abhilfe schaffen kann, ja diese in bester „Cthulhu“-Tradition geheimnisvoll und furcheinflössend gestalten kann, ist Thema des vorliegenden Bandes.
Zuerst wird einmal darüber geschrieben, was „Cthuloide Magie im Spiel“ ist, nämlich nicht die Magie der typischen Fantasy-Rollenspiele. Also keine weisen Männer oder SCs, die sich problemlos dutzende Zaubersprüche merken können und jederzeit und beliebig wiederholen. Nein, hier werden Hinweise gegeben, welche Gefahren damit verbunden sind. Ähnlich wie im Band „Necronomicon“, der den Umgang mit und die Darstellung von Mythosbüchern beinhaltet, werden hier Wege dargestellt, wie auch die Benutzung, gar das Lernen eines Zauberspruches eine Gefahr sein kann, damit das Lernen und Anwenden solcher Kräfte nicht auf einen bloßen, abstrakten Würfelwurf reduziert wird.
Ein umfangreicher Quellenteil stellt verschiedene Formen von „Magie und Schamanismus in der Geschichte der Völker“ vor. Das Ganze ist ansprechend gestaltet in Form eines fiktiven Briefwechsels einiger Gelehrter der Berliner Universität. In zwei Kapiteln werden Kabbala und Voodoo vorgestellt, inklusive Regeln und Vorschlägen, wie man die Spieler diese Quellen erschließen lassen kann. „Mittelalterliche Alchemisten und ihre Magie“ bekommen ein eigenes Kapitel, und ebenso werden „Magische Orte“ (z.B. die Externsteine) vorgestellt. Die Liste der Orte ist bei weitem nicht erschöpfend, sondern dient der Beschreibung von Archetypen und worauf man als Spielleiter zu achten hat, wenn man diese in seine Szenarien einbauen möchte.
Der Abschnitt „Magische Paraphernalia“ definiert Hilfsmittel in magischen Ritualen. Hier werden Hilfen und Denkanstösse gegeben, um mal etwas anderes als den typischen Kultisten mit einem Krummzackigen Dolch in seinen Szenarien auftreten zu lassen. Auch wird man sensibilisiert, wofür welche Sachen denn nun wirklich wichtig sind bei magischen Ritualen.
Und dann beginnt ab Seite 86 das „Grimoire des Mythos“, hier wird jeder Zauber einzeln vorgestellt, inklusive des zum Wirken notwendigen Rituals sowie einer Beschreibung der Auswirkung des Zaubers IM SPIEL. Immer wieder wird darauf hingewiesen, das man dies nur als Beispiele nehmen sollte, um sich davon inspirieren zu lassen. Dieses Kapitel ist auch auf die schnelle hilfreich, wenn man nicht weiß, wie man einen Zauber im Spiel stimmungsvoll darstellen soll. Es folgt ein kurzer Abschnitt darüber, was man alles bedenken muss, wenn man einen eigenen Zauber erfinden möchte.
Dann kommt die Kurzgeschichte „Es geschah am Potsdamer Platz“, welche nur aus Handouts besteht. Es geht um eine (natürlich fiktive) Geiselnahme in Berlin im März 2006, welche in einer Schießerei mit 59 Toten endete. Dies dient als Beispiel, wie man eigenes Abenteuer nur um einen einzigen Zauber aufbauen kann.
Dann folgt ein Artikel, zu der Frage: gibt es neben der Mythosmagie noch andere Magie im Cthulhu-Universum? Oder leitet sich alles auf den Mythos zurück? Ein Thema, was ja immer wieder zu Diskussionen unter Cthulhu-Spielern führt. Der Artikel gibt hier verschiedene Denkanstöße und bezieht keine endgültige Position. Warum auch, denn es bleibt ja jedem Spieler/Spielleiter selbst überlassen. Aber es wird diskutiert, ob man hier einen Bruch mit der Logik des „Hintergrundes“ begeht oder nicht.
Beschlossen wird dann der Band mit dem Gespräch eines Arztes mit zwei Patienten in einer Psychatrie im Jahre 1924.
Dazu sind über dem ganzen Band Abschnitte einer Kurzgeschichte und Abenteuerideen verstreut.

Aufgrund seines immensen Informationsgehaltes und seiner thematischen Vielfalt (verschiedene Religionen und magische Systeme) ist dieser Band eine schwerere Kost als „Malleus Monstrorum“ oder „Necronomicon - Geheimnisse des Mythos“. Einsteigern oder noch unerfahrenen Spielern seien diese Bände zuerst empfohlen. Für jeden Fortgeschrittenen ist auch dieses Buch eine reichhaltige Fundgrube voller Ideen und Anregungen. Endlich wird „Cthuloide Magie“ gewissermaßen „greifbar“, und ein bisheriger Schwachpunkt, die Anwendung von Mythosmagie, kann nun ein mächtiges Werkzeug sein, selbst ein ganzes Abenteuer füllen, statt wie bisher nur Beiwerk von NSCs zu sein, das zeigt, wie erfahren diese in der Magie des Mythos sind. Prall gefüllte 240 Seiten, die wohl kaum ein Spielleiter missen möchte, sobald er sie verschlungen hat, in gelungener stimmungsvoller Aufmachung.


Zeitlose Ängste
von Diverse
Pegasus Press; 2006
240 Seiten, Einband; € 29,95 (bei
Pegasus)