Geisterschiffe
Rezension von Karsten Sassenberg

Ein giftig grünes Hardcover, in dessen Mitte eine menschliche (?) Silhouette mit blau leuchtenden Augen den Leser anstarrt. Rechts vor ihr ein Segelschiff, und links davon Tentakel.

In goldenen Lettern kündet der Titel von seinem Inhalt, es geht um Geisterschiffe.
Ein Thema, das ja immer wieder gern verwendet wird. Der Titel ruft das Bild eines unheimlichen, verloren vor sich dümpelnden Schiffes hervor. Aber einen ganzen Band mit mehreren Abenteuern dazu, in diesem Fall gleich fünf, zuzüglich Quellenteil - ist dies nicht etwas öde? Werden uns hier etwa 5 Abenteuer geboten, in denen die Spieler ein ums andere mal ein "Geisterschiff" auf hoher See betreten müssen? Cthulhu sei Dank, so töricht war das Pegasus-Team nicht. Es sind sehr "untypische" Geisterschiffe, welche hier auf die Spieler lauern. Und nicht jedes findet man auf See, zwei sind unter der See zu finden und eines gar im Ruhrpott!

Also der Reihe nach: ein 12seitiger Quellenteil, der diesem Namen irgendwie nicht gerecht wird. Sechs Seiten davon sind eine einführende Geschichte, aufgemacht wie ein Handout, in Form eines Tagebucheintrages. In diesem schildert ein Matrose eine Begegnung mit einem unheimlichen Schiff auf hoher See. Die restlichen Seiten schildern kurz berühmte Geisterschiffe wie z.B. den fliegenden Holländer. In typischen Büchern über paranormale Phänomene und im Internet lässt sich schnell mehr finden. Ich hätte etwas mehr erwartet.
Davon etwas Enttäuscht wendete ich mich dann den Abenteuern zu, versuche aber möglichst wenig über den Inhalt zu verraten. Falls man in den Genuss des Spielens noch kommt:
"Schweres Wachs" führt die Abenteurer von Berlin nach Hamburg. Dort befindet sich in einer Werft ein Geheimprojekt (1 Schiff), das auf einer neuartigen Technik basiert bzw. diese Nutzen soll. Es spielt in den 20er Jahren und basiert lose auf einen Handlungsstrang der Kampagne "Auf den Inseln", lässt sich aber problemlos allein spielen. Es konfrontiert die Spieler mit einem wirklich seltsamen Spukschiff und ungewöhnlichen Gegnern. Aber es endet etwas unbefriedigend und erfordert einen guten Spielleiter, um gerade im letzten Teil die Spieler bei der Stange zu halten.
"Ein Schiff wird kommen" spielt auf einer sehr bekannten Insel an der deutschen Küste. Hier versammeln sich mehrere verschiedene Gruppen auf engstem Raum, alle von einer ähnlichen Motivation getrieben, aber jeder darauf bedacht, sich nicht dem anderen zu Offenbaren. Nicht schlecht, aber für meinen persönlichen Geschmack (und Geschmäcker sind bekanntlich verschieden) gibt es etwas zu viele Handlanger von Mythosmächten auf dieser Insel. Andererseits kann gerade dies für alte Hasen überraschend sein, und das Taktieren, wem man denn nun vertrauen kann und wer hier wen ermordet, sollte für Spielspaß sorgen.
"Die Büste der Lady Gray" ist die einzige Übersetzung in diesem Buch. Ab Bord eines Segelschiffes sollen die Spieler in den 1890ern von Liverpool nach New York segeln, um dort die titelgebende Büste zu kaufen. Auf dem Rückweg geschehen unheimliche Dinge, und es scheint, als wäre mit der Büste ein Fluch an Bord geholt worden. Das Abenteuer wirkt wie die Umsetzung einer typischen Filmgeschichte á la "Ein Monster ist an Bord". Aber sehr stimmungsvoll ist es schon, die Auflösung könnte aber Hardcore-Mythos-Fans enttäuschen…oder verblüffen. Dieses Abenteuer ist übrigens auch hervorragend für Fantasy-Settings geeignet. Ohne große Änderungen könnte man es auch z.B. für STORMBRINGER verwenden.
"Tod an Bord" handelt von den Ereignissen auf einem Kreuzfahrtschiff in den 20érn. Es wurde von Peer Kröger und Uwe Matthes geschrieben und ist ein echter Hammer! Eine sehr atmosphärische Gruselgeschichte mit einem ungemein überraschenden Ende. Es orientiert sich an einem sehr bekannten Kinoerfolg der letzten Jahre. Super geeignet, um eine Kampagne zu beenden oder eine äußerst exotische zu starten. Mehr soll nicht verraten werden. Großes Kompliment, eines der besten deutschen Abenteuer für Cthulhu!
"Gleißendes Feuer" ist eine lockere Fortsetzung von "Finstere Glut" aus der "Deutschland"-Box. Die Spieler werden mit den Überbleibseln der Gefahr konfrontiert, welche sie für gebannt hielten. Das Ganze spielt zur Zeit der französischen Besetzung des Ruhrgebietes. Der Autor hat übrigens noch eine sehr witzige Idee im Angebot: Einer der Spieler übernimmt die Rolle eines französischen Liaison-Offiziers, welcher der Gruppe zugeteilt wird. Somit können sich die Spieler gegenseitig das Leben schwer machen, während der Spielleiter die unheimlichen Geschehnisse im Binnenhafen von Duisburg inszeniert. Nebenbei bietet diese Geschichte Informationen über diesen Hafen und das Leben der Binnenschiffer in den 20ern. Somit bildet man sich noch beim Spielen.
Tja, das ist der Inhalt der 166 Seiten im schicken Hardcover. 5 wirklich verschiedene Abenteuer in gewohnt toller Aufmachung, und eines davon ein echter Kracher. Jedem, der seine Spielgruppe mal in die Weiten des Meeres entführen möchte, sei dieser Band empfohlen: Spannend zu lesen, mit vielen Fotos und Illustrationen versehen. Wann stechen Sie in See (oder andere Orte wo man Überraschend auf Geisterschiffe stoßen kann)?


Geisterschiffe
von Diversen
Pegasus Press; 2005
166 Seiten Hardcover; € 24,95 (bei
Pegasus)