Niemandsland - Grabenkrieg & Heimatfront
Rezension von Karsten Sassenberg

Wer CTULHU vor allem in den 20er Jahren spielt, wird im Spiel immer wieder mit den Folgen des furchtbaren Weltkrieges konfrontiert, sehr wahrscheinlich auch im Lebenslauf des Charakters. Um hier auszuhelfen, ohne erst selber Internet oder Geschichtsliteratur zu wälzen, bietet sich dieser Band an. Aber auch die Periode des ersten Weltkrieges als eigenes Setting zu erschließen, ist Ziel des 261 Seiten starken Hardcoverbandes.
Das Titelbild zeigt in gewohnter PEGASUS-Tradition eine stimmungsvolle Collage mit eisernem Kreuz, Pickelhelm etc.
Das erste Kapitel liefert dann auch historische Informationen, wie es zu dem Weltkrieg kam, wie sich der Krieg entwickelte und was auf den einzelnen Schauplätzen geschah, inklusive der deutschen Kolonien. Beendet wird dieser Abschnitt mit den Folgen des Weltkrieges und seinen Konsequenzen. Hier wird auch besonders angesprochen, wie sich der überlebte Krieg auf das Wesen des Charakters auswirkt. Ob er sich verraten fühlt und der „Dolchstoßlegende“ glaubt, oder ob er nach dem Krieg Probleme hat, sich in einen normalen Alltag wieder einzufinden. Ob er an Verletzungen an Körper oder Seele leidet. Der gesamte Abschnitt ist gut geschrieben und gegliedert und beleuchtet auch das Leben in der Heimat und den dortigen Entbehrungen.
Das folgende Kapitel „Charaktere im Krieg“ stellt einige neue Fertigkeiten vor, welche im Krieg wichtig sind, z.B. Sprengen. Danach folgen militärische Berufe wie Gebirgstruppen, Minenpioniere etc. Es werden die verschiedene Dienstränge der Soldaten vorgestellt. Das Leben an der Front und an der Heimatfront wird noch genauer betrachtet mit all seinen unmenschlichen Härten, sei es Hunger, Mangelversorgung oder der Tod von Familienangehörigen. Auch die Stellung der Frau, insbesondere wie man auch weibliche Charaktere in Abenteuer an den Fronten einbringen kann, wird nicht vergessen. Das ist wichtig, schließlich war Krieg damals reine „Männersache“. Eine Tabelle mit Auswirkungen des Weltkrieges auf den SC bietet eine Menge Ideen.
Natürlich gibt es auch Waffentabellen, in denen die wichtigsten Kriegshandwerkzeuge erfasst sind.
Es folgt ein umfangreicher Regelteil, der hilft, die vielfältigen Kriegssituationen im Spiel umzusetzen. Vom Luftkampf bis zum Erstürmen feindlicher Gräben wird hier so ziemlich alles abgedeckt.
Auch viele fertig ausgearbeitete NSCs werden vorgestellt, u.a. Erich Maria Remarque, der Autor von „Im Westen nichts Neues“.

Drei Abenteuer sind im Band enthalten, welche darauf warten, die Informationen des Buches gleich anzuwenden.
„Schwarzer Sand“ führt die SC nach Deutsch-Südwestafrika, wo sie vom Ausbruch des Krieges überrascht werden. Dort versuchen sie eine geheimnisvolle Tropenkrankheit zu ergründen, welche den zukünftigen Gatten der Schwester eines SC befallen hat. Da der Kranke unmittelbar vorher in den Kolonien stationiert war, hoffen die SC dort ein Mittel zu finden. Die Auswirkungen des Kriegsausbruches sind bei allen Aktionen der SC gegenwärtig.
„Ein Sommenachtsalptraum“ führt die SC in einen Frontabschnitt der Somme-Schlacht. Dort kommt es immer wieder zu Desertierungen und seltsamen Ereignissen. Die SC werden dazu abgestellt, dem auf den Grund zu gehen. Sie werden Zeuge des wahnsinnigen Gemetzels und der unmenschlichen Kriegsführung. Und noch etwas scheint dort das Schlachtfeld heimzusuchen, und bald häufen sich für die SC die Indizien, dass einige Personen der Heeresleitung davon sehr wohl wissen und bemüht sind, das dies nicht bekannt wird. Erst recht nicht innerhalb der Armee, so das die Spieler also nicht nur auf Feinde in Uniformen des Feindes stoßen.
„Wir fahren gen Engeland“ ist ein Abenteuer, das in Hamburg an der Heimatfront spielt. Die SC werden zur Mitarbeit an einem geheimen, kriegswichtigen Projekt verpflichtet. Auf dem Projektgelände kommt es zu seltsamen Vorfällen, und schon bald stecken die SC in gewaltigen Problemen.

Der Band ist von hoher Qualität, keine Frage. Viele zeitgenössische Fotos und Karten, gut recherchierte Texte sowie immer wieder eingestreute Zitate aus Feldbriefen, Zeitungen etc. lassen den Leser vieles von dem Schrecken dieser Zeit erahnen. Und als Ideenquelle, besonders für deutsche SC, wird eine Menge geboten. Bleibt die Frage des Geschmackes. Im Buch gibt es das Kapitel „Das Grauen des Krieges - am Spieltisch“, welches darauf hinweist wie man das Grauen des Krieges an den Spieltisch bringt, ohne das Geschehen zu banalisieren. Und ohne dass der Krieg zum Abenteuerplatz wird.
Und das ist das Problem mit diesem Band, er ist Geschmackssache, da er ein heikles Thema berührt. Ich kann mir die Kriegsjahre an der Front nur schwerlich als geeigneten stimmungsvollen Abenteuerhintergrund vorstellen. Dieser Krieg, der die industrielle Kriegsführung brachte und Todersopfer in bis dahin ungekannten Ausmaß forderte, ist an sich entsetzlich genug. Selbst wenn einen die Thematik nicht abschreckt, so kann ich mir eine Kampagne während des Krieges an der Front nur schwerlich vorstellen. Wie soll das gehen, wenn die Menschen um einen herum zu Dutzenden sterben und man selbst in seine Pflichten eingebunden ist? Das Abenteuer „Ein Sommenachtsalptraum“ wird den Spielern eher wegen den Schrecken des Krieges in Erinnerung bleiben als wegen cthuloiden Gruselns, wobei die Panzerfahrt unter Artillerie-Beschuss schon eher wie ein unpassender reißerischer Aufsatz wirkt. Wer sich an dieser Thematik und an den erwähnten Bedenken nicht stört, bekommt eine Menge geboten für sein Geld.


Niemandsland - Grabenkrieg & Heimatfront
von Diversen
Pegasus Press; 2007
262 Seiten Hardcover; € 29,95 (bei
Pegasus)