Horror im Orientexpress - Band 2: Von Paris in die Alpen
Rezension von Karsten Sassenberg

Der zweite Band der Kampagne kommt merklich teurer daher als Teil 1. Gerüchte besagen, dass man sich bei Pegasus für eine andere Aufteilung des Inhaltes entschieden hat. Die Enttäuschung verschwand aber, als ich den Band aus seiner Folie auspackte. Ein Einband aus Hartpappe im Stil eines alten Ordners (DIN A4) mit dem Etikett "Fremde auf der Fahrt" macht Neugierig. Darin findet man 24 SCs, von denen 5 als Beispiele des Zugpersonals dienen. Das wirklich Gelungene ist, dass die Seiten im Stil eines alten Reisepasses konzipiert wurden. Die Vorderseite zeigt also den "Pappumschlag" des Passes samt Foto, die Innenseite beinhaltet eine Beschreibung des SCs mitsamt der Spielwerte. So kann der SL diese ausschneiden, zusammenklappen und, wenn es nötig ist, hineinschauen bzw. vor sich auslegen. Für die Spieler bleiben die SC einprägsam, da sie ein Gesicht/Foto geliefert bekommen. Der Clou besteht aus zwei Blankopässen, welche kopiert werden können, so dass die Spieler sich von ihren Charakteren eigene Pässe anfertigen können, wenn sie mögen, bzw. der SL nach Bedarf eigene anlegen kann. Das alles steigert das Flair beim Spielen.
Dazu kommt noch als Beigabe des zweiten Kampagnenbandes eine kleine Broschüre zum Vorschein. Es handelt sich dabei um einen Reiseführer über den Orient-Express, der liebevoll und täuschend echt gemacht ist. Ein echtes Schmankerl für die Spieler.

Nun zum Inhalt: Nach dem Mini-Auftakt kann die Kampagne richtig begonnen werden, denn die Kapitel Paris & Lausanne bieten genügend Stoff für mehrere Spielabende. Dazu kann der SL die Handlung mit den beiliegenden SCs noch weiter Ausbauen, so dass die Zugreise auch mit zusätzlichen Verwicklungen die Spieler auf Trab hält. In diesem Band kommen die SC nun dem Geheimnis der Kampagne näher, und die Jagd beginnt. Sie treffen auf Freunde wie auch (Überraschung) auf Feinde. In Paris beginnen sie mit ihren Recherchen, und dort werden sie auch den legendären Zug besteigen, nach dem die Kampagne benannt ist. Aber zuerst werden sie bestimmt eine Irrenanstalt und auch eine Familie außerhalb von Paris aufsuchen und schnell bemerken, dass hier etwas nicht ganz mit rechten Dingen zugeht. Dann geht es nach Lausanne, wo sich die Dinge anders entwickeln, als es sich die Spieler wahrscheinlich haben träumen lassen. Ergänzt wird der Band durch zwei Regionalbeschreibungen über Frankreich und die Schweiz.

Die Handlung der Kampagne ist solide, doch man merkt ihr ein gewisses Alter an. Mit aktuellen deutschen Abenteuern kann sie, was die Stimmung angeht, nicht unbedingt mithalten und wirkt doch etwas konstruiert. Subtiler Horror wie es von den Deutschen Autoren eher bevorzugt wird, ist hier nicht so recht zu finden. Aber mal sehen, wie die nächsten Bände werden und wie sich die Handlung dann weiter entwickelt. Für die Kampagne spricht die ungemein schöne Aufmachung: Hochglanzpapier, Uhrzeiten statt Seitenzahlen und stimmige Fotos. Jeder halbwegs geschickte SL sollte mit diesem Material unterhaltsame Spielrunden gestalten können. Den Quellenteil wird man immer wieder benutzen können, denn er liefert wichtige Informationen, um das Flair der verschiedenen Haltestationen zu treffen.

Im Gegensatz zum amerikanischen Original ist die deutsche Neuauflage optisch eine Wucht, aber auch inhaltlich wurde sie aufgebohrt. Der Quellenteil ist nämlich von den deutschen Autoren hinzugefügt worden, und der oben erwähnte Band "Fremde auf der Fahrt" ist im Original ein Papierheft (ohne Umschlag!), in dem die Portraits aus S/W-Skizzen bestehen.
Dieser Band ist sein Geld allein aufgrund der Ausstattung wert. Wem die Handlung so nicht gefällt, kann sie ja abändern oder eigene Abenteuer entwerfen. Aber es lohnt sich jetzt, an Bord dieses legendären Zuges zu gehen! Ich wünsche eine gute Reise….


Horror im Orientexpress - Band 2: Von Paris in die Alpen
von Diversen
Pegasus Press; 2004
152 Seiten, 32 Seiten Pässe/Charaktere, 16 Seiten Reiseführer; € 24,95 (bei
Pegasus)