Horror im Orientexpress - Band 3: Von Italien nach Zagreb
Rezension von Karsten Sassenberg

Nun ist er da, der dritte Band der berühmten Kampagne. Diesmal ohne lose beigefügte Handouts, so dass dieser Band nicht verschweißt ausgeliefert wird. Aber vom Umfang und Gewicht der bisher schwerste. Dies erscheint ja viel versprechend, also sehen wir uns einmal den Inhalt näher an: 4 Kapitel, welche nach den Städten, in denen der Zug hält, benannt sind, verlängert um 2 kurze deutsche Abenteuer. Es beginnt in Mailand, wo die SC einem unvergesslichen Auftritt in der berühmten Oper Teatro alla Scala beiwohnen. Das Venedig-Kapitel wurde gegenüber dem Original ausgebaut, so dass die SC den Karneval erleben und hoffentlich auch überleben werden. Es folgt dann ein Abstecher nach Triest, wo die SC sich gehörig von der Bahnlinie entfernen müssen, um hier zum Erfolg zu kommen. Und es sind ihnen hier noch mehr Verfolger und Gefahren auf den Fersen als an den anderen Stationen. Und dann folgt Zagreb mit einem seltsamen Besuch, welcher mehr Antworten bringen könnte, als es den SC recht sein könnte.

Also, in den ersten drei Kapiteln geht es schwer zu Sache. Viele Gegner, viele Gefahren weltlicher und cthulhuider Art. Dazu stehen die SC unter Zeitdruck, so dass hier bestimmt einige auf der Strecke bleiben dürften. Leicht zu leiten sind die Abschnitte auch nicht, denn die Informationen und Anregungen, wie man die Szenen gestaltet, sind doch sehr vage. Wenn man die SC durch die riesige Oper von Mailand hetzt oder durch den Karneval von Venedig, ist dies bestimmt stimmig. Aber es erfordert einen guten SL, denn die Gegner sind zahlreich und agieren selbständig. Gerade Mailand sollte man gut vorbereitet leiten. Inhaltlich sind die Kapitel von guter Qualität, aber man merkt schon sehr deutlich, dass die Kampagne a) schon über 10 Jahre alt und b) von amerikanischen Autoren verfasst ist. Denn die Kapitel wimmeln halt von Mythosdingen, ein Stil, den die deutschen Autoren wahrlich nicht verfolgen. Auch die ganze Art, wie die Kampagne aufgezogen ist, lässt dies erkennen. Vieles wirkt etwas künstlich aneinander gereiht, und die Story ist extrem actionlastig. Dies alles verlangt nach einem versierten Spielleiter, dem es gelingt, die recht losen Vorgaben und die Aktionen der Spieler unter einen Tentakel, äh Hut zu bekommen.

Die zweite Hälfte des Bandes nimmt ein Quellenteil über Italien ein. Angesichts des großen Umfangs des Bandes kann man von der Seitenzahl schon ableiten, dass er auch dementsprechend umfangreich ausgefallen ist. Zum Glück (ihr Großen Alten seid gedankt) entspricht dieser Quantität auch die Qualität. Von der Kultur der Italiener über ihre Geschichte und Mentalität bis hin zu seltsamen Orten und Bräuchen, welche als mögliche Ideen für eigene Szenarien dienen könnten, ist alles vorhanden. Selbst an Namenslisten für die SC/NSC wurde gedacht. Dazu werden die Städte Venedig, Mailand und Triest ausführlich dargestellt, denn in ihnen spielt ja auch der "italienische Teil" der Kampagne . Dazu gibt es viele Illustrationen und einen angenehmen Schreibstil. Großes Lob an die Autoren, denn einen solchen Quellenteil hatte die originale Kampagne ja nicht. Also auf zu Abenteuern in dem Land, wo außer der Pizza und Mafia wohl auch der Schrecken des Mythos anzutreffen ist. Und das ist zu einer Zeit, wo wir einen deutschen Papst haben, doch allerhöchste Eisenbahn. Jawohl, auch Vatikan und Kirche werden vorgestellt!

Trotz der oben genannten Mängel gefällt mir Band 3 bisher am besten, so dass abzuwarten ist, wie der finale Band 4 ausfällt. Tolle Szenarien, welche die SC auf ihrer Jagd garantiert bei der Stange halten, und ein mehr als gelungener Quellenteil. Natürlich kommt der Band in der gewohnten opulenten Aufmachung mit vielen gelungenen Illustrationen daher (nur das Bild auf der Seite 11.15 Uhr scheint fehlerhaft, es wurde leicht verschoben übereinander doppelt gedruckt). Mögen die Reisenden den 3. Band der Kampagne überleben, in Erinnerung bleiben den Spielern garantiert der Luxus und der "Horror im Orient-Express."


Horror im Orientexpress - Band 3: Von Italien nach Zagreb
von Diversen
Pegasus Press; 2005
176 Seiten; € 19,95 (bei
Pegasus)