Horror im Orientexpress - Band 4: Über den Balkan nach Konstantinopel
Rezension von Karsten Sassenberg

Nun ist der letzte Teil der berühmten Kampagne auf Deutsch erschienen. Ich schätze, es sind über 200 Seiten. Es gibt ja bekanntlich keine Seitenzahlen, sondern Uhrzeiten, um das besondere Flair einer Kampagne zu betonen, welche komplett auf der Strecke des berühmten Zuges spielt. Das gewichtige Buch versteckt sich beim Kauf in einer voluminösen, robusten Schachtel, welche dazu gedacht ist, die vorher erschienen Bände aufzunehmen. Und wirklich passen alle Bände exakt hinein. Anschließend ist die Box äußerst gewichtig, also sollte man sie nicht in klapperige Regale stellen! Von der Aufmachung passt sie zu den Bänden, und somit macht sich die komplette Kampagne wirklich schmuck im Regal.

Zur Handlung: Schließt natürlich an das Ende vom dritten Band an, und die nächste Etappe ist Belgrad. Auf der Suche nach ihnen noch fehlenden Teilen des Simulakrums werden sich die SC in einer abgelegenen Waldhütte einem Feind stellen, mit dem sie bestimmt nicht gerechnet haben und dem sie nur mit Mühe (und viel Glück) entkommen können. Manche bekannten Märchen und Legenden werden sie danach bestimmt nur mit Schaudern hören können.
Die Reise geht nach Sofia, und hier geht es beinahe ins Auge. Denn so kurz vor dem endgültigen Ziel des Zuges werden die mächtigen Gegner aktiv, und endlich bekommen sie den zu Gesicht, der sie von Anfang an verfolgt. Bleibt zu hoffen, dass sie ihm auch wirklich beikommen können. Und dann ist da ja noch Konstantinopel, wo sie all ihr erbeutetes Wissen und ihre Kraft einsetzen müssen, um nicht doch noch alles zu verlieren. Denn ihre (verbliebenen) Gegner sind immer noch zahlreich und stark. Und dann, am Ziel angekommen, müssen sie ja auch die Reise zurück noch schaffen. Auch hier erwartet die gestressten SC noch so manche böse Überraschung, und alte Gegner kommen an Bord, denen sie auf der Hinfahrt entkommen sind. Einer dieser Feinde kann sogar seine Erscheinung wechseln. Vielleicht werden die SC sogar Bündnisse eingehen müssen, die ihnen unangenehm sind. Aber es geht um viel, sehr viel mehr als nur das Simulakrum und ihr eigenes Leben.
Somit sollte wohl klar sein, dass es sehr, sehr kampflastig und blutig zugehen wird. Hier bleibt keine Zeit mehr, in Ruhe durchzuatmen, der Zug nimmt immer mehr an Fahrt auf, gerade auf der Rückreise, und das im wörtlichen Sinn! Der "typische" Cthulhu-Investigator würde hier nicht sehr weit kommen. Es ist anzuraten, die Kampagne mit mehreren SC pro Spieler anzugehen, gerade im 4. Band. Oder es mit den Pulp-Regeln aus dem "Hexer von Salem"-Band zu spielen.

Der Band kommt auch dieses Mal mit einem gelungenen Quellenteil daher, welcher sich mit den Regionen beschäftigt, in denen die Abenteuer spielen. In diesem Fall sind es der Balkan und die Türkei. Natürlich können sie nur einen Überblick bieten, alles andere würde den Rahmen sprengen. Aber um für Lokalkolorit in den Abenteuer zu sorgen, sind diese Informationen sehr nützlich. Aber auch, um eigene Abenteuer dort anzusiedeln. Das Material gibt genügend Anhaltspunktepunkte, an denen man bei eigenen Recherchen ansetzen kann, wenn es dem Leser nicht ausreichend erscheint.

Besonders toll sind auch in diesem Band die Illustrationen. Sie sind zahlreich und sehr, sehr gut gelungen. Als Beispiel nehme man die Abbildungen um 23:45 oder 2:00 Uhr. Und natürlich das gesamte Layout. Mit der Aufmachung der Kampagne hat sich das deutsche Cthulhu-Team von Pegasus einen "Oskar" verdient. Die Meßlatte wurde sehr hoch gelegt.
Inhaltlich hat die Kampagne natürlich schon so ihre Mängel: Die Handlung treibt die Sc von einer Mythos-Begegnung in die nächste, ohne ihnen wirklich Zeit zu lassen, einmal Luft zu holen. Für Leute, die sich an "In Nyarlhoteps Schatten" gestört haben, weil eben dort alles voller Monster & Mythos sei, die können getrost die Finger davon lassen. Den Orient-Express sollte man eher wie eine "Geisterbahn" oder einen Film a la "Indiana Jones" sehen. Jeder, der sich hiervon nicht abschrecken lässt, bekommt eine geballte Kampagne voller Horror und Mystik an Bord des luxuriösesten Zuges aller Zeiten. Diese wird dann aber, auch aufgrund der verschwenderischen Aufmachung und der Handouts, garantiert jedem in Erinnerung bleiben.


Horror im Orientexpress - Band 4: Ueber den Balkan nach Konstantinopel
von Diversen
Pegasus Press; 2005
192 Seiten; in Box (passend zu allen 4 Bänden); € 29,95 (bei
Pegasus)