Terror Britannicus
Rezension von Karsten Sassenberg

Dieser Band soll Auftakt sein zu der Reihe "Cthulhuoide Welten Bibliothek", und in Zukunft soll jedes Jahr mindestens ein Band erscheinen. Demnächst erscheinend der Quellenband "London - Im Nebel der Themse", und aus diesem Grunde wurde das Thema "Terror Britannicus" für diese erste Ausgabe gewählt.

Es sind zwei Szenarien enthalten, das erste und umfangreichere heißt "Häupter des Schreckens" und stammt von Gerd Hupperich. Laut Vorwort ist er als Autor vor allem durch das Fantasy-Rollenspiel "Midgard" bekannt geworden, wo er einer der beliebtesten Autoren sein soll und für seine anspruchsvollen, detektivisch-kniffeligen Szenarien geschätzt werde. Und letzteres stimmt wahrlich, denn die Spieler werden eine Menge Kombinationsgabe und Geschick brauchen, um den Fall zu lösen. Die Spieler werden von einer adeligen Dame zu einer Weihnachtsfeier auf ihrem Landsitz eingeladen. So verschlägt es die SC nach Anningham, einen kleinen Ort in der Nähe von London. Schon bald geschehen seltsame Dinge. Ein Unbekannter lässt den SC verschlüsselte Botschaften zukommen, die Lesung eines örtlichen Autors endet in einem Mord, weitere seltsame Elemente sind eine geheimnisvolle Sage aus dem Mittelalter und die freistehende Treppe eines vor Jahren verschwundenen Zauberers im Dorfwald. Geheimnisvolle Personen verfolgen eigene Ziele, und auch das Wachsfigurenkabinett von Madame Tussaud weckt die Neugierde der Spieler. Es gilt ein Unheil aufzuhalten, dessen Ursprung in einem bekannten geschichtlichen Ereignis des europäischen Festlandes vor über 100 Jahren liegt. Im wahrsten Sinne des Wortes kann man hier auch seinen Kopf verlieren. Das Szenario beginnt am 20.12 und endet am 25.12. (bestimmt nicht mit einem schönen Weihnachtsfest). Dieses Szenario ist äußerst beeindruckend und dürfte für die Spieler eine harte Nuss darstellen. Viele Winkelzüge und immer mehr verwirrende Details machen es den Spielern wahrlich nicht leicht, ebenso wenig wie dem Spielleiter. Er muss sich sehr gut vorbereiten, weil das Szenario nur wenige Tage dauert und er daher in der Lage sein muss, das Verhalten und die Interessen der SC genau einzuschätzen. Dies kann für einen unerfahrenen Spielleiter eine schwere Aufgabe sein. Trotz allem, die "Häupter des Schreckens" ist ein äußerst gelungenes Abenteuer, ein "Horror-Kriminalfall" der besonderen Art. Es entspricht auch nicht der sog. "Cthulhu-Matrix", und es kommen auch keine gewaltigen Mythoswesen darin vor. Eine willkommene Abwechslung und ein Beweis dafür, was bei CTHULHU alles an Szenarien ohne das übliche "Kultisten beschwören Nyarlahotep im dunklen Wald" möglich ist. Zumal oft auch darauf hingewiesen wird, dass der Autor sich an diversen klassischen Krimis bedient hat und diese zitiert. Dazu werden noch vorgefertigte SC angeboten, falls man es als "One-Shot" spielen möchte.

Das zweite Szenario "Geister von Loch Feinn" stammt von Glenn Rahmann und wurde von Wolfgang Schiemichen erweitert und überarbeitet. Eine Bekanntschaft in einem Londoner Bus bringt die SC auf die Spur eines Paläontologen, der in Schottland ermordet wurde, als er seinen Forschungen am See Loch Feinn nachging. Hat er wirklich Hinweise auf einen noch lebenden Dinosaurier gefunden - die Ursache der Fabeln über die Drachen des Mittelalters? Und was wissen die Dorfbewohner über diese Dinge? Natürlich gibt es auch eine alte Burgruine. Die Grundkonstellation basiert auf der Mythosgeschichte eines Lovecraft-Epigonen, und die Umsetzung in ein Rollenspielszenario ist sehr gut gelungen. Es wendet sich, was das Design angeht, besonders an unerfahrene Spielleiter, denn über den gesamten Text sind Hinweise und Tipps eingestreut. Diese reichen von der Auswahl geeigneter SC und Erklärungen, warum manche nicht so sehr geeignet sind, über konkrete Anleitungen, wie man die Atmosphäre aufbauen sollte, bis hin zu verschiedenen Vorschlägen für ein mögliches Ende. Auch ein vorgefertigter SC wird angeboten, welcher die Spieler in das Szenario führt, falls es Probleme mit dem Einstieg gibt. Da es zudem sehr geradlinig aufgebaut ist und stark von seiner besonderen Stimmung lebt, sollte auch Neulingen ein schöner und gelungener Spielabend (vielleicht auch 2 Abende) gelingen. Ein schönes Szenario, welches mir außerordentlich gefällt. Dies ist ein eher typisches Cthulhu-Scenario im Vergleich zu den "Häuptern des Schreckens", mit einer tollen Atmosphäre! Auch hier wurden herrliche SC eingebaut, wie z.B. ein reicher Großwildjäger, der Drachen und Einhörner jagen will. Nachteilig ist so etwas, wenn die Spieler die dem Szenario zugrunde liegende Mythosgeschichte kennen und man deshalb das Abenteuer nur mit Veränderungen spielen kann, weil sonst sehr schnell erkennbar ist womit man es zu tun hat. Stichwort Leylinien sollte schon reichen…. Beide Abenteuer haben im Übrigen im Vergleich zu anderen Pegasus-Abenteuern nur wenig Handouts. Beim ersten Szenario liegt es daran, dass die Handlung auf wenige Tage begrenzt ist. Beim zweiten sind einfach nicht viele Handouts notwendig. Dies hat den Vorteil, dass es als Einführung für Neulinge geeignet ist oder für Spielrunden, die eine Abneigung haben, sich ständig durch Seiten voller geheimnisvoller Texte zu kämpfen, weil dies den Spielfluss stört (soll es ja wirklich geben).

Terror Britannicus ist also ein Band, der ein sehr anspruchsvolles und ein eher leicht zu leitendes gelungenes Abenteuer beinhaltet. Damit ist er eigentlich für jedermann geeignet, der in England spielen möchte. Die Profis bekommen ein tolles, verzwicktes Szenario (wann kommt eigentlich mal ein Mythosabenteuer mit Mrs. Marple heraus?) und eine Geschichte, die sie leicht leiten können - mal als Abwechslung. Für diejenigen, welche eher die geradlinigen Abenteuer mögen, sind die "Geister in Loch Fein" ein gefundenes Fressen. Mit 93 Seiten und gewohnt toller Aufmachung empfehlenswert, gerade wenn man mit dem London-Band auf den "britischen" Geschmack gekommen ist!


Terror Britannicus
von Gerhard Hupperich, Glen Rahmann und Wolfgang Schiemichen
Pegasus Press; 2004
94 Seiten; € 12.95 (bei
Pegasus)