Versteigerungsbericht Tentacles 2002
von Christian “Eini” Einsporn

Die Auktion gehört auf dem Tentacles-Con schon seit den Zeiten, als er noch RuneQuest-Con hieß, zum festen Programm. Wie auf vielen anderen Cons auch wird hier allen Gelegenheit gegeben, sich von alten Sachen zu trennen, die andere bestimmt haben wollen, was meist auch gut klappt. An sich eine langweilige Sache, außer für die Bieter, aber es verbergen sich hinter und in einer solchen Auktion doch eine Menge interessante Daten, Erlebnisse und auch kleine Randereignisse. Mit Hilfe des TentaclesCon 2002 will ich mal darstellen, wie so eine Versteigerung von vorne bis hinten abläuft. Die Dialoge sind nicht ganz wortgetreu, aber sinngemäß wiedergegeben, auch auf namentliche Nennungen habe ich (meist) verzichtet. Ein Schelm der Böses dabei denkt...

Vorbereitung
Zur Vorbereitung werden alle Interessenten schon bei der Anmeldung aufgefordert, eine Liste aller zu verhökernden Sachen vorab einzureichen. Dies dient zum einen der Vorbereitung des Teams, zum anderen soll damit auch das Interesse angeheizt werden, wenn schon auf Schnäppchen hingewiesen werden kann.
Während die Listen langsam eintrudeln (erfahrungsgemäß kommt das Meiste dann doch erst auf dem Con) beginnen die Abstimmungen im Team:
A: „Wie schaut es denn aus, Auktion wieder Sonntag 22:00 Uhr?“
B: „Ja, wie gehabt, das hat sich bewährt.“
A: „Gut, dann bereite ich alles vor. Der Termin steht wirklich fest? Ich will noch Infozettel machen und da gleich den Termin reinschreiben.“
B: „Ja, Termin steht, ins Programm ist die Auktion auch eingearbeitet.“
A: „Alles klar, wir sehen uns dann beim Con.“
Bleibt nur noch hinzuzufĂĽgen dass dann drei Tage vor dem Con, natĂĽrlich nachdem alle Infozettel gedruckt waren, eine Rundmail kam, nach der die Auktion jetzt doch zu einem anderen Zeitpunkt stattfindet!

Erste Arbeiten
Nach dem Eintreffen am Ort des Geschehens und dem Verrauchen des Zorns über die Verschiebung des Termins (B: „Es war nötig, wir kriegen wäschekorbweise Zeug!“) ging es dann an die ersten Vorarbeiten für die Auktion. Zum reibungslosen Ablauf muss ja alles erfasst und mit „Preisschildern“ versehen werden, damit die Interessenten in der Ausstellung vor der Auktion schon mal gucken können, wie viel Geld sie brauchen und ggf. noch schnell eine Bank überfallen können.
A: „Wo ist denn jetzt das ganze Zeug?“
B: „Wir haben es Dir da drüben hingestellt.“
A: „Was, der ganze Wäschekorb???“
B: „Äh, na ja, und das Zeug daneben und dahinter... Es kommt auch noch mehr... Wann wolltest Du eigentlich Deine Spielerunde machen?“
A: „...“
Es soll sich niemand Illusionen machen, eine Versteigerung ist mit einigem Arbeitsaufwand verbunden. Und es sollte auch jeder die Bemerkungen über „wäschekorbweise Zeug“ ernst nehmen, was ich dummerweise nicht tat. Am Ende habe ich den Wäschekorb wohl sechsmal vom Infoschrein zum Rittersaal hochschleppen müssen, bis alles da war. Da fällt mir ein – was ist eigentlich aus dem treuen Wäschekorb geworden?
Aber zurück zu den Vorarbeiten. Im Infoschrein ist alles voll, der Saal noch belegt, also gut, dann zieht man sich zum Vorbereiten in die Ecke zurück, ein Stuhl und ein Fensterbrett müssen reichen. Gesagt, getan, noch mal kurz eine Runde über den Con drehen, und bei der Rückkehr steht anstelle des Stuhls vor dem Fensterbrett eine Bettwäschecontainer der Jugendherberge! Woanders konnten sie das Ding wohl nicht parken... Der letzte Rest des Infoschreins ist inzwischen durch die Netzwerkballerspieler besetzt worden, also müssen es auch ein Stuhl und besagter, inzwischen längst überladener, Wäschekorb tun. Doch trotz aller widriger Umstände sind am Abend dank zahlreicher Aufmunterung („Wie bist Du in die kleine Ecke gekommen?“ und ähnliche Sprüche) alle Sachen erfasst, die Auktion am nächsten Tag kann kommen. Nur noch die Preisschilder vorbereiten und alles aufbauen. Nur noch...

Aufbau
Die Auktion findet traditionell im abends festlich erleuchteten Rittersaal statt, doch tagsüber geht es hier oft weniger feierlich zu. Das soll nicht heißen dass es hier keinen Spaß gäbe! Gleichzeitig mit dem Auktionsaufbau war das große Tarsh War – Spiel angesetzt, doch bei der Größe des Rittersaals gab es keine Platzprobleme. Und Dank der Lebhaftigkeit von Tarsh War und des Engagements der Spieler kam auch die ganze Akustik des Saals zum Einsatz. Also schnell vier Tische aufbauen (zwei zum Arbeiten, zwei für die Versteigerungssachen) und ans Werk gemacht. Bald wird klar, dass zwei Tische nicht reichen, also wird ein dritter aufgebaut. Da Tarsh War gerade auf getrennte Verhandlungen angewiesen war wurde besagter dritter Tisch sofort von vier Spielern und einer Anzahl von Bierflaschen, die ich hier lieber verschweigen möchte, okkupiert. Glücklicherweise ging es bald wieder komplett weiter, und der Tisch stand der Versteigerung wieder zur Verfügung. Nur noch die Bierflaschen abräumen, den Tisch abwischen, und weiter geht’s.
Schließlich ist fast alles geschafft, nur drei Verkäufer fehlen noch, die noch nicht alle „Waren“ genau definiert haben. Ich bedaure, dass ich den folgenden Dialog nur sinngemäß wiedergeben kann, es war einfach herrlich:
A: „Was soll denn hierfür Minimum sein?“
X: „Was ist das denn?“
A: „Na das was Du für die Auktion mitgebracht hast.“
X: „Ja, aber was ist das genau? Wir sollten mal Y fragen!“
Nach einiger Zeit ist besagter Experte gefunden, schaut aber genau so ratlos drein.
Y: „Könnte eine Vorarbeit für eine frühe Edition sein.“
X: „Vielleicht... Was sagt denn Z dazu?“
Also wieder warten, inzwischen hat das Auktionsteam so seine liebe Not, die mĂĽhevoll aufgebauten Waren vor denjenigen zu beschĂĽtzen, die vorher alles ganz genau sehen wollen (und dabei gleich noch ZerreiĂźtests machen...). Endlich kommt der langersehnte rettende zweite Gutachter.
X: „Weißt Du was das ist?“
Z: „Sieht aus wie eine Vorarbeit, aber zu welcher Edition?“
X: „Keine Ahnung.“
Y: „Vielleicht auch was ganz anderes...“
Z: „Was denn?“
Y: „Keine Ahnung.“
X: „Ich auch nicht.“
Ergebnis: Fünf Minuten nach vorgesehenem Beginn der Versteigerung wurde das URO (Unidentifizierbares Rollenspielähnliches Objekt) von der Versteigerung zurückgezogen. Unbestätigten Berichten zu Folge soll jetzt eine Expertenkommission der angesehenen Smithsonian Institution Herkunft und Bedeutung erforschen...

Die Auktion
An dieser Stelle zunächst einmal ein herzliches Danke Schön an die beiden Auktionatoren, denn ohne sie wäre die Auktion doch langweilig und trocken. Es gibt nichts wozu Rick und Daniel nicht noch einen guten Kommentar abgeben und was sie nicht so anpreisen können, dass man sich als nicht Mitbietender richtig schuldig fühlt! Und natürlich auch Herzlichen Dank an die Teamleute im Hintergrund: Kassenmeister Ingo und Lagermeister Pummel, ohne ein so gutes Team ließe sich die Auktion niemals so reibungslos durchführen!
Wie so häufig lief auch diese Auktion ein bisschen schleppend an, auch wenn gleich zu Beginn ein paar gute „Artefakte“ unter den Hammer kamen. Vielleicht bremste der Euro, mancher wusste wohl nicht so recht wie viel er bieten kann. Doch Dank der guten verbalen Arbeit der Auktionatoren lief es bald gut, und Stück für Stück kam alles unter den Hammer was das Herz begehrt (oder auch nicht, dazu später mehr). Die ganze Auktion dauerte etwa zwei Stunden, und was für die Zuschauer und die Bieter oft genug spaßig war bedeutete für das Auktionsteam eine Menge Arbeit. Nicht dass ich mich beklagen will, im Gegenteil: Wenn alles gut läuft, alle zufrieden sind, die Buchführung am Ende stimmt und für den Con auch noch ein guter Batzen Geld rausspringt hat sich die Arbeit gelohnt!

Die Nachbereitung
Auch immer wieder ein komischer Punkt. Vor dem Zahlmeister drängelt sich alles, die einen weil sie Geld loswerden und ihre neuen Sachen abholen wollen, die anderen, weil sie auf die Auszahlung ihres „Beuteanteils“ warten. Das Chaos ist manchmal größer als während der Auktion selbst... Doch das Zusammenspiel klappte gut, so dass schon bald alle zufrieden von dannen zogen. Alles? Fast alle. Denn was aufgebaut wurde will ja auch wieder in Ordnung gebracht werden, außerdem muss die Kasse bewacht werden, also noch ein bisschen im Rittersaal bleiben, während draußen auf dem Burghof der Fackeltanz losgeht. Hier zeigte sich mal ein Vorteil der Arbeit: Von den Fenstern im Rittersaal hatte man den besten Blick auf die Tanzfläche, ohne gedrängelt und geschubst zu werden. Aber auch das ging schließlich vorbei, auch die Kasse war noch da und wurde schließlich in Sicherheit gebracht.

Die Statistik
Jetzt habe ich viel Worte über alle möglichen Dinge verloren, jetzt sollen die blanken Zahlen sprechen. Über Sinn und Unsinn einiger Aufstellungen mag man trefflich streiten, aber man soll schließlich keiner Statistik glauben, die man nicht selbst gefälscht hat. Schon gar nicht wenn sie von einem Beamten erstellt wurde...

1. Anzahl der Verkäufer
Bei der diesjährigen Auktion versuchten 30 Personen oder Organisationen, Teile ihres Besitzes zu versilbern.

2. Anzahl der Verkaufsgegenstände
Zum Verkauf wurden 178 Gegenstände an das Auktionsteam bzw. an das Orga-Team übergeben. Allerdings kamen davon nicht alle unter den Hammer, acht Gegenstände wurden vor oder sogar während der Auktion vom Anbieter zurückgezogen:
Gründe für den Rückzug waren bei vier Objekten die oben geschilderten Identifikationsschwierigkeiten; in einem Fall die Feststellung, die falsche Ausgabe mitgebracht zu haben; ein vermutlich unverkäufliches Magazin (nein, nichts unanständiges, das wäre verkauft worden...); ein unvollständiges Supplement; und eine angedetschte Tasse. Blieben immer noch 170 Gegenstände für die Auktion.

3. Verkaufte und Unverkaufte Gegenstände
Von den 170 angebotenen Gegenständen konnten trotz intensiver Bemühungen der Auktionatoren 6 nicht an den Mann bzw. die Frau gebracht werden:
- vier Midgard-Abenteuer (es war halt Tentacles, nicht Midgard-Mania)
- ein „Snake Pipe Hollow“ – die Karten bzw. Handouts fehlten (und es hatte kein spanisches Cover!!!)
- ein Magic-Tentacles-Deck – trotz des Bezugs zum Con (nur Karten mit Bildern, auf denen Tentakel zu sehen waren) gab es dafür kein Interesse, womöglich auch wegen des hohen Mindestgebots

Die restlichen 164 Gegenstände konnten verkauft werden, das entspricht immerhin einer Verkaufsquote von 96,5 % - das soll unseren Hobby-Auktionatoren erst mal irgendein Profi nachmachen!

4. Gegenstände pro Anbieter
Hier gab es sehr unterschiedliche Zahlen: Der Spielraum reicht von genau einer angebotenen Sache bis zum Rekordhalter, der gleich 33 Sachen zur Versteigerung freigab. Den Rekord hält er allerdings nur, weil – sehr zur Erleichterung der Auktionatoren – die insgesamt 139 mitgebrachten Perry Rhodan – Heftromane in drei großen Blöcken versteigert wurden.

5. „Gierigkeitsgrad“
Keine ernst zu nehmende Statistik, ich habe nur mal durchgerechnet, wo pro Sache die höchsten Mindestgebote angesetzt wurden. Wahrscheinlich lag´s aber eher am Wert der Gegenstände als an der Gier: Der Spitzenwert lag bei 23,33 €, am anderen Ende der Skala wollten gleich neun Verkäufer keine Mindestgebote festlegen, sondern sich in jedem Falle positiv überraschen lassen.

6. Gesamterlös
Aus Gründen des Datenschutzes und zur Enttäuschung der Steuerfahndung darf ich hier keine konkreten Zahlen nennen. Nur soviel: Die Summe war deutlich höher als eigentlich erwartet, und 56,52 % der gesamten Verkaufspreise gingen dank der großzügigen Verkäufer an den Con! Die ganze Mühe mit Aufbau und Vorbereitung ist also doch zu was gut.
Zusätzlich zum „Beuteanteil“ des Cons waren einige Käufer beim Bezahlen sehr großzügig und rundeten kräftig zu Gunsten von Tentacles auf – so kamen weitere Euros in die klammen Kassen.

7. Wertvollste Gegenstände
Hier die TopTen der wertvollsten Gegenstände – einmal nach Mindestgebot und einmal nach Verkaufserlös:

nach Mindestgebot
1.  CoC Library Ed. – 100 €
2.  Hero Quest Pre Script – 60 €
3.  CoC 20th Ann. Ed. engl. – 50 €
4.  Hero Wars dt. signiert – 35 €
5.  Cults of Prax – 25 €
6.  Wyrd Nr. 6 – 25 €
7.  5 RQ-Miniaturen – 25 €
8.  Lunar Empire Map signiert – 25 €
9.  Hero Wars engl. signiert – 20 €
10. CoC dt. Luxusedition – 20 €

nach Verkaufserlös
1. CoC Library Ed. – 165 €
2. Hero Quest Pre Script – 150 €
3. Hawkmoon-Script – 85 €
4. CoC 20th Ann. Ed. engl. – 60 €
5. Hero Wars dt. signiert – 42 €
6. CoC dt. Luxusedition – 42 €
7. Lunar Empire Map signed – 40 €
8. Cults of Prax – 40 €
9. Book of Treasure / Plunder – 38 €
10. Cult Compendium Pre Script – 38 €

Drei der am höchsten angesetzten Gegenstände haben es nicht in die TopTen der Verkaufshits geschafft (Wyrd Nr. 6, RQ-Minis, HW engl.), dafür ist insbesondere das Hawkmonn-Script nach oben gestürmt, dazu das Book of Treasure / Plunder und das Cult Compendium Pre Script.
Es wäre auch möglich die wertlosesten Gegenstände aufzuzählen, aber lassen wir das lieber...

8. Ăśbertroffene Erwartungen
Nur die wenigsten Gegenstände wurden zum Mindestpreis verscherbelt (um genau zu sein: es waren 15 Stück), alle anderen brachten mehr ein als erwartet bzw. brachten bei einem Minimum von 0,-- € überhaupt etwas ein.
Hier die TopTen der ĂĽbertroffenen Erwartungen (absoluter Wert):

Gegenstand                            Minimum                   Verkaufspreis            Mehrgewinn

1.  HeroWars Pre Script                    60 €                             150 €                             90 €
2.  Hawkmoon-Script                            ./.                                 85 €                              85 €
3.  CoC Library Ed.                           100 €                            165 €                             65 €
4.  RQ Companion                                 7 €                               65 €                             58 €
5.  Cult Compendium Pre Script         ./.                                 38 €                             38 €
6.  Book of Treasure / Plunder             5 €                               38 €                             33 €
7.  Fungi from Yuggoth                         1 €                               27 €                             26 €
8.  Glorantha-Box                                  3 €                               28 €                             25 €
9.   Cyberpunk Box                               5 €                               30 €                             25 €
10. Halls of the Dwarven King            10 €                               35 €                             25 €

Wozu diese Statistik gut ist? Keine Ahnung. Vielleicht sagt sie ja aus, dass man vermeintlich wertloses Altpapier lieber versteigern lassen sollte!

9. Verkäufer-Statistiken
Den größten Umsätze mit seinem Beitrag zur Auktion erzielte ein aus Furcht vor Überfällen hier namentlich nicht genannter Verkäufer mit 465,-- €. Es lohnt sich auch für Verkäufer, Sachen versteigern zu lassen!
Der geringste Umsatz viel dagegen mit 6,-- € eher bescheiden aus, aber auch hier gilt der olympische Gedanke: Dabeisein ist alles!

10. Tentacles-Finanzierer
Von den 31 Anbietern erklärten sich 13 bereit, den gesamten Erlös dem Con zu überlassen, alle anderen zeigten sich bei den Anteilen für den Con mehr oder weniger freigiebig. In zwei Fällen lief es sogar so, dass durch die Anteile der Anbieter nicht einmal unser eigentlich geforderter Mindestanteil für den Con (10 % oder 1 €, was immer höher ist) erreicht wurde, aber an einem so schönen und ertragreichen Abend wollten wir auch keine Spielverderber sein. Die Nachforderungen sind auf dem Wege zum Gerichtsvollzieher und werden demnächst zugestellt, nächstes Mal versteigern wir dann die gepfändeten Wohnungseinrichtungen!
Der Top-Spender ließ 465,-- € in die Con-Kassen prasseln, da kann man sich vorstellen wie unserem Kassenwart warm ums Herz wurde.

11. Sonstiges
Bei der Erstellung dieser Statistiken musste eine Flasche Cola dran glauben, drei Schmierzettel wurden zerrissen, eine Kugelschreibermine gab den Geist auf, ca. 50 Verkaufszettel sausten zu Boden und mussten wieder aufgesammelt werden, und es wurden etwa 50 FlĂĽche ausgestoĂźen, weil der Computer mal wieder nicht so wollte wie der Schreiber...

Zum Abschluß nur noch ein Wort: Wer bis hierher tapfer alles gelesen hat ist Auktionsreif und nächstes Jahr gerne im Orga-Team willkommen!